In einer Nacht im Jahr 2014 zieht Ross mit seinen Kumpels Finlay und Fraser von Kneipe zu Kneipe, im Kopf schwirrt Gordon der Gedanke herum, eine Band zu gründen. Mit einem kleinen Trick bekommt er beide Kumpels dazu, ihn bei seinem Vorhaben zu unterstützen und in die Band einzutreten.
Mit "Paradise" ist nach zwei EPs endlich der erste Long Player der Band auf den Markt gekommen. Der Albumtitel ist, wenn man es so ausdrücken mag, der Heimatstadt der Band gewidmet. Aberdeen, im Nord-Osten Schottlands, sei ein "Drecksloch", es sei zwar ihre Heimat, aber kalt, grau und einfach trist - das genaue Gegenteil von einem "Paradise".
Welche Themen Cold Years sonst noch beschäftigt haben, wieso das Album erst jetzt kam und vor welchen Herausforderungen Bands gerade stehen, erfahrt Ihr in BOBs Backstagetalk mit Frontmann Ross Gordon.
Euer erstes Album "Paradise" ist draußen. Welches Gefühl hat das bei dir ausgelöst?
Es fühlt sich unglaublich an, dass es endlich draußen ist! Die Verschiebung war für mich sogar eine gute Sache, denn textlich gesehen passen die Songs jetzt besser als je zuvor. Es geht viel um Isolation und den Willen, aus etwas auszubrechen - darin werden sich viele Leute wiederfinden bei all dem, was im Lockdown passiert. Nach zwei Jahren Arbeit nun endlich das Resultat zu haben ist einfach unglaublich!
Wie seid Ihr mit der Verschiebung des Release-Dates umgegangen?
Für uns war es eigentlich egal, was das Album erscheint, weil wir eh nicht touren konnten. Das ist das einzig frustrierende, denn wir touren normalerweise unglaublich viel, auch um das Album zu promoten - das geht jetzt natürlich nicht. Wir mussten erst von April in den Mai und dann nochmal in den September verschieben und alle Shows um die Veröffentlichung herum wurden abgesagt. Im Grunde ist die Show in Hamburg unsere Release-Show, so sehen wir sie zumindest. Und es wird die einzige Chance sein, dieses Jahr live zu spielen. Wir wollten auch einfach nicht mehr länger warten und sind froh, dass die Platte jetzt endlich draußen ist!
Wieso kommt Eure erste "Full-Length"-Platte erst jetzt?
Wir wollten schon immer eine "Full Length"-Platte rausbringen, aber dafür hatten wir nicht genügend Rücklagen - ess ist eine sehr teure Angelegenheit, das selbst umzusetzen. Außerdem braucht man dafür einen Haufen Material! Dieses Mal hat das Label zu uns gesagt, dass sie einen Long Player haben wollen und wir wollte das auch - schon immer. Wir hatten sogar vor dem Plattendeal schon ein Album geschrieben, das wir aber wieder verworfen haben weil wir es nicht gut genug fanden. Dann haben wir von vorne angefangen, was ziemlich erschreckend ist, weil es ein Haufen Arbeit ist! Für die 12, 13 Songs auf dem Album hatten wir ca. 40-50 Songs geschrieben. Dann mussten wir die auswählen, die auf die Platte kommen sollen, wir mussten sich schreiben und mehrfach umändern und selbst im Studio haben wir noch daran gearbeitet. Dann sitzt man da vor einem "Whiteboard" und versucht, die Songs zusammenzusetzen. Es ist eine coole Sache, die wir schon immer machen wollten. Ob eine EP, Platte oder Single dabei herauskommt hängt immer vom Material ab und davon, was wir zu der Zeit hervorbringen.
Wie habt Ihr den Release-Tag verbracht?
Alle Jungs sind vorbeigekommen und wir waren sehr, sehr betrunken. So haben wir den Tag verbracht. Wir haben vom Label eine Flasche Whiskey bekommen und hatten noch viel Sekt. Und unsere Partner waren dabei und wir hatten einfach einen schönen Abend und haben uns die Platte angehört. Ich höre eigene Musik eigentlich überhaupt nicht gern - niemand aus der Band mag das - aber einmal haben wir die Platte aufgelegt und komplett angehört. Wir hatten die Songs ja auch schon seit den Aufnahmen nicht mehr gehört. Dann hatten wir ein paar Drinks und das ging bis etwa 7 Uhr am Morgen.
Welche Rolle spielt Eure Heimatstadt Aberdeen für Euch und in dem Album?
Ich denke man kann nicht verstecken, wo man her kommt... Aber mittlerweile hasse ich meine Heimat! Ok, "hassen" ist ein starkes Wort, aber ich mag sie nicht mehr. Und das merkt man auch in der Musik. Ein Punkt ist, dass die komplette Wirtschaft von Aberdeen auf der Öl-Industrie basiert, die den Planeten zerstört. Es ist mir peinlich, Teil davon zu sein. Und als Kind kaum eine andere berufliche Wahl zu haben, als diesen Weg zu gehen, denn die Öl-Industrie zahlt als einzige ganz gutes Geld für einen Job. Ich wollte lange da rauskommen und diese Gefühle sind auf dem Album zu hören. Es gibt viele reiche Leute, die sich für etwas Besseres halten - und das widerspricht meinem Punk-Ethos, das mag ich überhaupt nicht. Aber ich kann nichts dagegen machen, ich habe immer noch meine Freunde und Familie dort. Aber ich habe keine Liebe für die Stadt übrig - absolut nicht.
Welche Aussagen stecken in Eurem Song "62 (My Generation's Falling Apart")?
Das war der erste Song der Platte, der in die politische Richtung geht. Ich finde es passiert gerade so viel auf der Welt und wer als Musiker oder als Band eine Plattform hat, sollte sie nutzen, um etwas zu sagen! Wenn man das vermeidet, lügt man sich nur selbst an. Wenn jemand keine Meinung zu dem hat, was in der Welt passiert, lügt er sich selbst an. Wir sind auch irgendwie verantwortlich, etwas zu sagen. Wir sind da auch alle sehr leidenschaftlich dabei, deshalb wollten wir das zum Ausdruck bringen. Viele Leute sind auch ängstlich! Der Song dreht sich um Brexit, das ist ein sehr umstrittenes Thema in unserem Land, wobei alle guten Menschen das nicht wollen und die bösen wollen es. So sehe ich das. Und so stellt es auch der Song dar. Das bedeutet wahrscheinlich auch, dass wir dadurch ein paar Fans verlieren. Aber das ist mir egal, weil jeder der das möchte, ist nicht mein Freund und mir ist egal, ob er meine Band hört - er kann von mir aus in der Ecke heulen (lacht).
Was ist die größte Herausforderung für Euch als Band zur Zeit?
Die Frustration, dass wir nicht spielen können - das ist die größte Herausforderung! Ich liebe das Touren unglaublich. Ich will aus dem Koffer leben, nicht die ganze Zeit an einem Ort sein. Das Größte sind für uns wirklich die Live-Auftritte. Für die Show [am 15.9. in Hamburg] musste wir natürlich auch proben - wir haben die Songs seit 6 Monaten nicht mehr zusammen gespielt. Man muss also ganz von vorne anfangen. Aber das Problem im Vereinigten Königreich ist, dass per Gesetzt alles geschlossen ist: alle Proberäume sind geschlossen! Es musste also jeder für sich zu Hause die Songs üben. Wir hatten ein Zeitfenster von zwei Wochen, wo man 3-4 mal proben konnte, aber dann war wieder alles geschlossen. Es ist also echt nicht einfach! Auch einfach Zeit mit seinen Freunden zu verbringen, mit denen man in einer Band ist! Wir schreiben gerade ein neues Album, was natürlich auch mit Herausforderungen verbunden ist. Wir haben zwar alle ein "homestudio" zu Hause, wir haben alle MacBooks, ProTools, Logic, das ist schön und gut, man kann sich hinsetzen und Songs schreiben - aber es ist nicht das gleiche! Es wird nie das gleiche sein wie wenn man sich zusammensetzt. Und das auch eine der größten Herausforderungen: Sich nicht zu sehen und trotzdem Musik miteinander zu machen. Dabei wird enorm viel Stress freigesetzt, man ist voller Adrenalin, ich liebe Proben. Das klingt komisch, weil viele Musiker das hassen, aber für mich ist das der beste Teil des Arbeitstages, mit den Jungs in einem Raum zu sein und sich in den Armen zu liegen. Das ist eine große Herausforderung und das zu Vermissen ist echt hart!
Konntet Ihr in der Lockdown-Phase kreativ sein und neue Songs schreiben?
Ich finde man sollte solche Dinge nie überstürzen. Man sollte Musik dann veröffentlichen, wenn der richtige Zeitpunkt dafür gekommen ist. Wir haben vor ein paar Monaten eine ziemlich coole Sache gemacht, die euch um Halloween herum erwartet. Auch die Idee dahinter ist ziemlich gut. Ich kann es kaum erwarten, es den Leuten zu zeigen - aber kann kann es noch nicht verraten. Etwas wird also dieses Jahr noch kommen, eine kleine Sache. Und was weitere Musik angeht: Wir schreiben zur Zeit ein Album und wollen es nächstes Jahr aufnehmen - aber ob es dann auch nächstes Jahr erscheint ist eine andere Sache...