Rock-Ratgeber

Wie setzt sich der Preis eines Konzerttickets zusammen?

Die Welt der Rockmusik lebt nicht nur von harten Riffs und tiefen Growls, sondern auch von sagenumwobenen Legenden und Mysterien. Nicht wenige von uns haben diesen Onkel, der uns bei Familienfeiern von den guten alten Zeiten erzählt, als er die Rolling Stones für sechs Mark Eintritt gesehen hat. Einige erinnern sich vielleicht selbst noch daran, wie es war, mittelgroße Konzerte für 20 bis 30 Euro zu besuchen. Heute legt man schon für kleinere Shows zwischen 40 und 50 Euro auf den Tisch, nach oben sind keine Grenzen gesetzt. Um kurz bei den Stones zu bleiben: Wenn man die britischen Rocklegenden 2022 aus nächster Nähe sehen wollte, musste man für einen Platz vor der Bühne etwa 600 Euro berappen. Eine Menge Holz und auch vierstellige Beträge sieht man inzwischen häufiger. Kein Wunder, dass immer wieder die Frage aufkommt, wie sich Ticketpreise überhaupt zusammensetzen, warum manche niedriger ausfallen, andere astronomisch hoch und welche Rolle Marktplätze wie Eventim und die Künstler selbst bei der Preisgestaltung spielen.

Ticketpreis-Text Rechnung 1 Künstler
Ticketpreis-Text Rechnung 1 Künstler

Beginnen wir für das Grundverständnis mit der groben rechnerischen Zusammensetzung eines Ticketpreises, denn die ist gar nicht so schwer, wie man meinen könnte. Dafür arbeiten wir am besten mit einem Beispiel, das lautet: Veranstalter X möchte ein Konzert mit Band Y veranstalten und stellt eine Anfrage an die Band. Nennen wir die Truppe mal The RADIO BOBs. Um den Ticketpreis für ein Konzert der RADIO BOBs berechnen zu können, sind nun zwei Kalkulationen nötig. Im ersten Schritt schmeißt die Gruppe (bzw. ihr Management/Agent) den Taschenrechner an und kalkuliert ihre Gage. Dabei müssen mehrere Variablen berücksichtigt werden, wie zum Beispiel Produktionskosten, Reisekosten, Honorare für die Musiker und ihre Mitarbeiter sowie der allgemeine Marktwert der RADIO BOBs. Ist die Rechnung abgeschlossen, teilt die Band dem Veranstalter die geforderte Gage mit. Dann beginnt Rechnung zwei.

Ticketpreis-Text Rechnung 2 Veranstalter
Ticketpreis-Text Rechnung 2 Veranstalter

Im nächsten Schritt kalkuliert der Veranstalter alle Kosten, die auf seiner Seite entstehen, zum Beispiel für die Hallenmiete, den Security-Dienst, das Catering und die Reinigungskräfte. Auch Versicherungen müssen hier berücksichtigt werden, ebenso wie Kosten für Promomaßnahmen und bürokratische Aufwände. Ist der Veranstalter damit fertig, haben wir zwei Beträge: die geforderte Gage der Band auf der einen Seite und die Kosten für das Konzert beziehungsweise die Veranstaltung als solche auf der anderen. Nun addiert der Veranstalter die Gage und die Konzertkosten sowie einen kleinen Gewinn, dividiert das Ganze durch die potenzielle Zuschauerzahl und bekommt als Ergebnis den Grundpreis für ein Ticket. Doch warum „Grundpreis“? Die Antwort: Vor dem Start des Vorverkaufs nimmt unser Ticketpreis noch ein paar Umwege — und wird dabei natürlich teurer.

Ticketpreis-Text Grundpreis Berechnung
Ticketpreis-Text Grundpreis Berechnung

„Gehen wir der Einfachheit halber mal von einem Grundpreis von 20 Euro aus“, erklärt uns Michael Thiesen, der als Head Of Booking im Hamburger Büro der Schubert Music Agency arbeitet, und zum Beispiel Bands wie Thundermother und Heavysaurus betreut. „Da kommen dann noch zehn Prozent Vorverkaufsgebühr drauf, also zwei Euro on top. Danach folgt die Systemgebühr. Das ist nochmal ein Euro extra. Und die Online-Gebühr. Wieder 2,50 Euro. Am Ende zahlt der Endkonsument also 25,50 Euro, obwohl der Grundpreis nur 20 Euro beträgt.“ Optional ist ein sogenannter Werbekostenzuschlag, den Veranstalter auf den Grundpreis aufschlagen können. So ist es möglich, die Kosten für eine Konzertkarte um zum Beispiel drei Euro zu erhöhen und damit die Werbemaßnahmen im Vorfeld einer Show zu finanzieren. Nicht optional sind die teils immensen Versandkosten für Endverbraucher. Aber: Sind Konzertkarten wegen all der Gebühren so teuer?

Unter anderem. Springen wir, um es zu veranschaulichen, noch einmal zu unserem Anfangs-Beispiel der Rolling Stones. Bei teureren Karten, bei denen der Grundpreis (weit) über 40 Euro liegt, da steigen die anteiligen Vorverkaufsgebühren sogar auf zwölf Prozent. Ein Premium-Ticketpreis von 600 Euro enthält also allein gute 60 Euro Gebühren — immerhin ein Zehntel des Gesamtpreises. Bei einem Verkaufspreis von 60 Euro pro Ticket landen gerade einmal rund 50 Euro beim Veranstalter, von denen er zusätzlich gut drei Euro Mehrwertsteuer abführen muss. Bleiben 47 Euro von 60, also 13 Euro weniger. Bezogen auf das Beispiel von Michael weiter oben, würde das bedeuten, dass ihm von 25,50 Euro bloß 18,60 Euro übrig bleiben. Das klingt nach einem unbedeutenden Unterschied, aber rechnet das mal auf eine Halle mit 19.000 Plätzen hoch, wie zum Beispiel die Lanxess Arena in Köln. Da geht es bei sehr günstigen Tickets um 130.000 Euro, die beim Ticketanbieter bleiben. Bieten die Ticket-Services dafür denn auch etwas?

Ticketpreis-Text Eventim Ticketmaster Co(rona)
Ticketpreis-Text Eventim Ticketmaster Co(rona)

In einer Sache sind sich unsere Interviewpartner mehr oder weniger einig: Anbieter wie Eventim berechnen zwar hohe Gebühren, leisten dafür aber auch einiges. „Eventim ist genau da, wo das Unternehmen steht, weil die Leute da einen Top-Job machen“, berichtet Thiesen. Es gebe zwar einige Baustellen, zum Beispiel, dass man als Veranstalter nichts über die Demografie der eigenen Kundschaft erfahre, aber im Großen und Ganze hätten Services wie Eventim und Ticketmaster deshalb Erfolg, weil sie funktionierende Lösungen geschaffen hätten.

Und zur Wahrheit gehört auch, dass sich seit der Coronapandemie schon die Grundpreise für Tickets erhöht haben, wie uns Dirk Zimmer berichtet, Veranstalter aus Bochum: „Seit Corona haben sich alle Produktionskosten verdoppelt, teilweise verdreifacht. Früher hat man einen Techniker für 200 bis 300 Euro am Abend gebucht, heute sind es eher 450. Das wirkt sich natürlich auch auf den Ticketpreis aus.“

Für astronomische Preise wie 500 bis 600 Euro pro Ticket gibt es einen anderen, sehr einfachen Grund. „Weil die Leute die hohen Preise bezahlen“, erklärt Agent Jörg „Schrörg“ Düsedau, der mit Künstlern wie Michael Schenker, Destruction und Exciter zusammenarbeitet, also in kleineren Dimensionen. Ein einfacher Fall von Angebot und Nachfrage also. Das bestätigt auch Zimmer: „Je teurer eine Veranstaltung ist, desto mehr wird sie anscheinend zum begehrenswerten Event. Im günstigen Segment unter 20 Euro halten sich die Leute sehr zurück. Da hat man nicht so den großen Zuspruch, obwohl für dieses Geld oft coole Clubkonzerte geboten werden. Momentan habe ich das Gefühl: Je teurer eine Veranstaltung ist, desto eher kaufen die Leute das.“ Damit hat er wohl Recht. Doch nicht nur die Preise, sondern auch die angebotenen Kategorien haben sich in den letzten Jahren verändert.

Ticketpreis-Text Saalplan Metallica
ticketmaster.de
Ticketpreis-Text Saalplan Metallica

Gerade bei größeren Venues gibt es statt einer einzigen Innenraumkategorie, wie es früher üblich war, heutzutage oft mindestens zwei Angebote: eins direkt vor der Bühne („Golden Circle“, „Front Of Stage“ o.ä.) sowie eins dahinter. Normalverdiener haben also kaum noch die Chance, ihre Lieblingsband aus der ersten Reihe zu erleben, auch wenn sie früh dran sind und bei Einlass direkt zur Bühne rennen. Zusätzlich gibt es Logen-Pakete mit Büffet, hochpreisige Meet & Greets mit den Künstlern oder, wie zuletzt bei Metallica, Sitzplätze in Sichtweite der Bühne, die exklusiv im Achterpack für ein paar tausend Euro verkauft werden. Es ist also für jeden Geschmack etwas dabei — aber eben nicht für jeden Geldbeutel. Er könne das aus Veranstalterperspektive verstehen, sehe aber auch die andere Seite, berichtet Thiesen: „Man schließt da Leute aus, und zwar teilweise die Hardcore-Fans, die die Band erst nach da oben gebracht haben.“

Bands wie Heaven Shall Burn gehen deshalb einen anderen Weg und bieten solche Kategorien gar nicht erst an. „Gegen Angebote wie den Golden Circle und VIP-Bundles weigern wir uns strikt“, erklärt Benjamin Mahnert, der Manager der Metalcore-Pioniere. „Damit wollen wir nichts zu tun haben. Wir treffen die Leute draußen auf der Straße und Meet & Greets gibt es bei uns kostenlos, wenn man uns anquatscht.“ Außerdem habe er bereits mehrfach gesehen, dass größere Bands die Meet & Greets zwar mitmachen würden, eigentlich aber genervt seien, zum Beispiel weil sie für die Treffen bisweilen das Abendessen vor der Show unterbrechen müssten. „Uns ist das zu blöd und wir finden, dass das Abzocke ist. Jeder weiß, dass Heaven Shall Burn nach ihren Konzerten den Kontakt zu den Fans suchen und auch Autogramme geben. Ich verstehe aber natürlich auch, dass das nicht mehr so einfach ist, wenn man Gene Simmons ist.“

Zukünftig könnte die Preisgestaltung für Konzerttickets sogar noch ausgeklügelter werden, wie Axel Ballreich erklärt, seines Zeichens Vorsitzender des Bundesverbands der Musikspielstätten. Er berichtet von einem Phänomen namens „Flexible Pricing“. Das Ganze könne so aussehen, dass Karten für Plätze vor der Bühne für 1.000 Euro in den Handel gingen und bis zum Verkauf Stück für Stück günstiger würden. Oder umgekehrt: Wäre der Absatz bei einem geringeren Preis sehr stark, würde die Konzertkarte automatisch teurer. Dieses System werde kritisiert, so Ballreich, doch er sehe das Ganze emotionslos. Denn durch ein „Flexible Pricing“-System würden die Leute, die es sich leisten könnten, die Karten derjenigen weiter hinten mitbezahlen. Das kann man so sehen. Man kann es aber auch anders formulieren: Die Zuschauer in den letzten Reihen bezahlen mit etwas Glück normale Preise — und vor der Bühne sammeln sich Besserverdiener.

Was bedeutet all das nun? Es gibt leider keine eindeutige Antwort auf die Frage, wie sich ein Ticketpreis zusammensetzt. Ja, man hat als Künstler einen Einfluss auf den Ticketpreis — zumindest in dem Rahmen, in dem man Einfluss auf die Kosten einer Produktion nehmen kann, denn auch Künstler müssen sich den Preisen und Honoraren dem Markt beugen. Und ja, Ticketanbieter nehmen Gebühren und Versandkosten, über deren Höhe man sicher streiten kann. Doch Künstler und Veranstalter profitieren auch von der Software, die ein Anbieter wie Eventim zur Verfügung stellt. Und auch Künstler und Veranstalter müssen sich an die eigene Nase fassen, wenn sie exklusive Plätze anbieten, für die mehrere hundert Euro anfallen, einfach weil sie es können. Als Verbraucher nimmt man am meisten Einfluss, wenn man jedes Mega-Event abwägt und auch mal Clubkonzerte besucht — solange die Bands, die dort spielen, noch bezahlbar sind.