Rock-Ratgeber

Der richtige Gehörschutz für Konzerte

Ihr besucht gerne Konzerte und Festivals, dann solltet Ihr auch an Eure Ohren denken. Denn wer Musik liebt, möchte möglichst lange Freude daran haben. Doch ab wann ist ein Gehörschutz notwendig? Was unterscheidet einen Standardgehörschutz von einer maßgefertigten Lösung? Und welche Möglichkeiten gibt es, wenn auch der Nachwuchs mit zum Festival kommen soll? Wir sind für Euch in die Welt des Gehörschutzes eingetaucht und haben dabei zwei Dinge festgestellt: So schnell geht das Gehör nicht kaputt - sinnvoll ist ein Gehörschutz aber trotzdem.

Ohr Anatomie
Lars Chittka; Axel Brockmann - Perception Space—The Final Frontier, A PLoS Biology Vol. 3, Wikipedia
Ohr Anatomie

Wie funktioniert das menschliche Gehör?

Grundsätzlich ist das Ohr bei allen Säugetieren (zu denen auch wir Menschen zählen) gleich aufgebaut. Dafür typisch ist vor allem die Ohrmuschel, die wir umgangssprachlich als „Ohr“ bezeichnen. Das Mittel- und das Innenohr gehören aber ebenfalls dazu. Wenn wir Musik hören, treffen Schallwellen auf unsere Ohrmuschel und werden von ihr gebündelt. Danach gelangen sie über den Gehörgang zum Trommelfell, das sich mit der Membran eines Lautsprechers oder eines Mikrofons vergleichen lässt. Durch den Schall gerät das Trommelfell in Schwingung und die Schallwellen gelangen vom Außen- ins Mittelohr. Dort befindet sich in erster Linie Luft, aber auch drei Gehörknöchelchen: der Hammer, der Amboss und der Steigbügel. Direkt mit dem Trommelfell verbunden ist der Hammer, der die Schallwellen über den Amboss an den Steigbügel weiterleitet. Anschließend landet der Schall über die knöcherne Ohrkapsel im Innenohr, wo die mechanischen Schallwellen von der sogenannten Schnecke in elektrische Reize umgewandelt werden. Diese wiederum werden an unser Gehirn gesendet, wo sie verarbeitet werden — und wir hören. Das ist natürlich stark vereinfacht. Doch für unsere heutige Beschäftigung mit dem Thema Gehörschutz reicht diese Vereinfachung erstmal.

Dezibel Anzeige
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Was sagt die Einheit Dezibel aus?

Wir wollen Euch an dieser Stelle nicht mit Logarithmen und Mathematik langweilen, doch eine Sache ist wirklich wichtig zu wissen: 120 Dezibel sind nicht das Doppelte von 60 Dezibel. Das liegt daran, dass die Einheit nicht linear, sondern logarithmisch aufgebaut ist. Der Hintergrund ist ein praktischer: Die Lautstärkewahrnehmung des menschlichen Gehörs ist so unfassbar umfangreich, dass es zu aufwändig wäre, mit einer linearen Einheit zu arbeiten. So ist das leiseste, gerade noch hörbare Geräusch etwa eine Billion mal leiser als das lauteste direkt an der Schmerzgrenze liegende. Stattdessen funktioniert das Ganze so: 10 Dezibel entsprechen der Verdopplung der empfundenen Lautstärke. Das heißt, dass ein Rockkonzert mit einer Lautstärke von 120 Dezibel nicht sechsmal lauter ist als das Blätterrauschen im Wald mit 20 Dezibel, sondern mehr als 1.000 Mal so laut. Unfassbar, oder?

Laute Musik ist übrigens nicht per se schädlich, denn wenn man sie genießt, kann sie auch dem Stressabbau dienen. Wichtig ist außerdem, dass sich die Ohren auf ihre „Aufgaben“ einstellen können; analog zu unserem Bauch, den wir anspannen, wenn uns jemand in die Magengrube schlagen möchte. Trotzdem kann es sinnvoll sein, das Gehör bei längerer Beanspruchung zu schützen. Doch ab wann benutzt man am besten einen Gehörschutz, welche Lautstärken sind wirklich gefährlich und welche Arten von Gehörschutz gibt es eigentlich?

Ab wann wird es für das Ohr gefährlich?

Wann es für das menschliche Ohr gefährlich wird, lässt sich pauschal nicht beantworten. So spielt nicht nur die Lautstärke als solche eine Rolle, sondern auch die Dauer der akustischen Belastung sowie deren Berechenbarkeit. Das plötzliche Aufeinanderschlagen zweier Metallgegegenstände gehört zum Beispiel zu den größtmöglichen Zumutungen für unser Gehör, während ein lautes, gut abgemischtes Rockkonzert nicht sofort bleibende Schäden hinterlassen muss. Anders gesagt: So empfindlich, wie wir oft denken, sind unsere Ohren gar nicht. Trotz dieser Variablen gibt es Lautstärken, die schlicht zu hoch sind. Bei vielen Menschen liegt die Schmerzgrenze bei 120 Dezibel, was etwa einem lauten Konzert entspricht. Einen Presslufthammer mit 130 Dezibel finden die allermeisten unangenehm, ein Düsentriebwerk mit 140 Dezibel ist auf Dauer definitiv zu laut. Oftmals merken wir selbst, was uns zu laut ist und was nicht. Manchmal geht es bei der Nutzung eines Gehörschutzes auch gar nicht darum, Hörschäden zu vermeiden, sondern Stress zu reduzieren. Denn hohe Lautstärken bedeuten für unseren Körper sehr viel Arbeit, vor allem, wenn sie unerwünscht sind. Wenn ihr auf Konzerten (begründet oder unbegründet) Angst um euer Gehör habt oder schlicht mehr Spaß an Musik habt, wenn sie nicht so laut ist, haben wir ein paar Vorschläge für Euch.

Ohrstöpsel
Karle Horn, Wikipedia
Ohrstöpsel

Standard-Gehörschütz

Einen Standardgehörschutz werden die meisten von euch schon einmal benutzt haben. Damit meinen wir vor allem die Schaumstoff- oder Wachslösungen, die in jedem Drogeriemarkt erhältlich sind, und die kaum mehr als ein paar Euro kosten. Dabei ist Euch bestimmt aufgefallen, dass solche Stöpsel das Klangbild verzerren, weil sie die höheren Frequenzen stärker dämpfen als die tiefen. Die Musik klingt dann dumpfer und weniger ausgewogen. Das Gleiche gilt für einen Kapselgehörschutz, wie man ihn vor allem auf Baustellen sieht. Der Klang spielt hier keine Rolle, Hauptsache der Schallpegel sinkt.

Als Musikhörer gehen wir aber vor allem zu Konzerten, um Spaß an der Musik zu haben. Zum Glück bedeutet „Standard“ nicht zwangsläufig „minderwertig“, sondern vor allem: „nicht maßgefertigt“. Ein Beispiel: die berühmten „Tannenbäumchen, die sich dank ihrer Lamellen an den Gehörgang des Durchschnittsmenschen anpassen. Nachteile können entstehen, wenn der Standardstöpsel nicht richtig ins Ohr passt, demnach nicht richtig dämpft oder gar herausfällt. Für das Klangproblem gibt es aber eine Lösung: lineare Dämpfung. Während die Schaumstoff- und Wachslösungen manche Frequenzen leiser werden lassen als andere, sorgt eine lineare Dämpfung für ein ausgewogeneres Klangbild, weil Höhen und Tiefen gleichermaßen „runtergedreht“ werden. Stöpsel mit linearer Dämpfung sind auch im Standardbereich erhältlich. Wenn Eure Ohren eher nicht durchschnittlich sind, gibt es aber noch eine weitere Lösung: maßgefertigten Gehörschutz.

Ohrstöpsel Anformung
Ailura, Wikipedia
Ohrstöpsel Anformung

Maßgefertigter Gehörschutz

Alle Ohren sind unterschiedlich. Manche von ihnen ähneln stärker dem Durchschnitt, andere überhaupt nicht. Damit ein Gehörschutz funktioniert, ist aber auch die Passform wichtig. Ist der Gehörschutz im Ohr zu groß, kann es zu Schmerzen oder gar Hautreizungen kommen. Ist er zu klein, kriecht der Schall einfach am Stöpsel vorbei und trifft dann doch wieder ungefiltert auf das Trommelfell, was wir mit dem Gehörschutz ja eigentlich vermeiden wollen.

Wenn Eure Ohren nicht dem Standard entsprechen und ihr mit vorgefertigten Lösungen eher Probleme habt, solltet Ihr vielleicht über einen maßgefertigten Gehörschutz nachdenken. Dafür wird (völlig schmerzfrei) ein Abdruck von eurem Ohr gemacht und anschließend erhaltet Ihr sogenannte Otoplastiken. Dabei handelt es sich um einen Ohrstöpsel, der ausschließlich in euer eigenes Ohr passt — und zwar perfekt. Die Lärmdämpfung erfolgt entweder über einen fest eingebauten Filter oder über auswechselbare Filterelemente mit unterschiedlicher Dämpfung. So reicht in der klassischen Musik oft eine Dämpfung von etwa 9 Dezibel, während im Pop- und Rockbereich 15 Dezibel passender sind. Genau wie beim Standardgehörschutz empfiehlt sich eine lineare Dämpfung. Das ist aber ohnehin meistens der Fall, wenn man sich einen maßgefertigten Gehörschutz anfertigen lässt. Vollstöpsel gibt es für solche Lösungen oftmals auch, denn manchmal möchte man schließlich auch gar nichts hören, zum Beispiel nachts auf dem Zeltplatz.

Kind Irokese Konzert
Kind Irokese Konzert

Gehörschutz für Kinder

Wenn die Ohren unserer Kleinsten geschützt werden sollen, stellt uns das vor eine besondere Herausforderung. Zum einen gibt es anatomische Unterschiede zu uns Erwachsenen. Kinderohren und -gehörgänge sind deutlich kleiner als es bei Erwachsenen der Fall ist.

Doch es gibt noch eine große Schwierigkeit: Kinder hören mit ganz anderen Ohren. Wenn wir auf die Welt kommen, sind unsere Ohren bereits voll funktionsfähig, was bedeutet, dass das Hörvermögen bereits im Mutterleib ausgebildet wird. Trotzdem müssen Kinderohren nach der Geburt noch viel dazulernen. Dieser Prozess findet vor allem in den ersten drei Lebensjahren statt, angeregt durch akustische Reize aus dem Umfeld des Kindes. In dieser sogenannten „sensiblen Phase“ ist unser Gehirn sehr aktiv und versucht, die aufgenommenen Signale zu verschärfen, zu verfeinern und sie sinnvoll zu deuten. Damit ist unsere akustische Ausbildung zwar noch nicht zu Ende, doch der längste Weg ist bestritten. Um Kinder vor akustischen Gefahren zu beschützen, ist ein guter Gehörschutz unerlässlich, ob im Fußballstadion oder auf dem Festival. Für Säuglinge eignet sich vor allem ein Kapselgehörschutz, der das Ohr vollständig umschließt. Es sollte allerdings darauf geachtet werden, dass der Kopf des Säuglings nicht mehr zu weich ist, damit der Gehörschutz nichts zusammendrückt. Ab dem dritten Lebensjahr ist auch die Verwendung von Standardstöpseln möglich. Maßgefertigte Lösungen ergeben bei Kindern noch nicht viel Sinn, da sich ihre Ohren noch im Wachstum befinden.

Bob Dylan mit Knockin' On Heaven's Door

Unplugged

Unplugged

Ohne elektrische Verstärkung und auf jeden Fall gut für die Ohren (wenn Ihr nicht zu sehr aufdreht): BOBs Unplugged-Stream!


Es läuft:
Bob Dylan mit Knockin' On Heaven's Door